Eishockey – Das kanadische Spiel mit der Scheibe – 1920 bis 1922

Im Gegensatz zum restlichen Europa wo das kanadische Eishockey mit der Scheibe bereits seit Jahren nach und nach das Bandyspiel verdrängte, kam es in Österreich erst im Winter 1921/22 zu der bereits überfälligen Umstellung. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges, das Herstellungsverbot von Kunsteis und das Beleuchtungsverbot von Eisflächen hatten zu dieser Verspätung sicherlich entscheidend beigetragen.

Im Zuge der Einführung des neuen Stils wurden notwendige Anpassungen gegenüber dem Bandy-Spiel vorgenommen. Die Hartgummischeibe löste den bislang gebräuchlichen Gummiball ab und Tore sowie Spielflächen wurden entsprechend verkleinert. An den Seiten des Spielfeldes gab es Holzbanden, die den Puck im Spiel hielten und gleichzeitig verhinderten, dass Zuschauer verletzt wurden. Hinter den Tore waren es noch drei Meter bis zur Bande sodass man die Tore umfahren konnte. Durch ein „Bully“ wurde die Scheibe ins Spiel gebracht wenn ein Tor gefallen, der Puck aus dem Spielfeld geflogen ist oder ein Verstoß gegen die Regeln vorlag.

Beim Bully standen sich zwei gegnerische Spieler gegenüber und der Schiedsrichter warf den Puck auf das Eis zwischen den Spielern. Gab es zu Beginn nur einen Schiedsrichter, so wurde nach einigen Jahren der Einsatz von zwei Schiedsrichtern wegen der Schnelligkeit des Spieles beschlossen. Auch ein Zeitnehmer wurde notwendig, da Spielunterbrechungen nicht mehr zur regulären Spielzeit zählten.

heumarkt-wevSpät aber doch: Auch am Heumarkt wurde das kanadische Spiel eingeführt.

Eine Mannschaft bestanden aus sechs Spielern:

Ein Tormann, zwei Verteidiger und drei Stürmer. Drei Ersatzspieler standen in Reserve bereit und konnten bei Spielunterbrechungen mit Spielern auf dem Eis ausgetauscht werden.

Oskar Schlesinger, langjähriger Verbandspräsident und Wiener Bürger, beschrieb den Sport folgendermaßen:

„Der Kampf verlangt eine weit größere Anzahl physischer und seelischer Eigenschaften. Er erfordert, außer den beim Spiel notwendigen Dingen wie: Gewandtheit, Geistesgegenwart, Klugheit, Disziplin und Ausdauer, noch ein Mehr an persönlichem Mut, Selbstbeherrschung, Aufopferung für eine gemeinsame Sache und Härte.“

Eben dieser Oskar Schlesinger führte in der Saison 1920/21 das Scheibenspiel bei der Eishockeysektion des Wiener Eislauf Vereins (WEV) ein und die Mannschaft nahm an den ersten deutschen Winterkampfspielen in Garmisch-Partenkirchen teil. Am 08. Jänner 1922 fand schließlich am Heumarkt das erste Eishockey-Scheibenspiel in Wien statt. Es traten 2 Auswahlen des WEVs gegeneinander an.

Wie urzeitlich die Verhältnisse damals waren, zeigen folgende Details: Der Torhüter trug einen Polster vor der Brust und einige Zeitungsausgaben dienten als Schienbeinschützer. Die Feldspieler traten teilweise überhaupt ohne Schienbeinschützer oder Handschuhe an und der Pötzleinsdorfer Sportklub (PSK – später EK Engelmann) bestritt sein erstes Spiel ohne jemals zuvor ein Training absolviert zu haben. Dieser PSK war es aber der die nächsten 10 Jahre der schärfste Konkurrent der dominierenden Mannschaft des WEVs sein sollte.

Damit die Bevölkerung von Wien auch die neue Sportart richtig kennen lernt, berichtet das Sport Tagblatt in einem Artikel das Wesentliche dieser neuen Sportart. Er ist nachstehend ungekürzt wiedergegeben:

Das kanadische Hockey

Bisher wurde in Wien ausschließlich Eishockey mit dem Ball, auch Bandy genannt, gespielt; die Wiener werden nun Gelegenheit haben, auch das Eishockeyspiel mit der Scheibe, kurz Eishockey benannt, kennen zu lernen. Das Spiel mit dem Ball, ähnlich dem Asioziationsfußball, ist ein typisch englischer Sport, sehr ruhig und für große Plätze geeignet.

Das Eishockey (Scheibe) ähnelt mehr dem Rugby, ist ein echt amerikanischer Sport, ist nervenaufpeitschender für den Zuseher und wird auf kleineren Plätzen gespielt. Jede Mannschaft besteht aus sieben Spielern. Die besondere Eigenheit, an die sich unsere Spieler ebenso wie die Zuseher erst werden gewöhnen müssen, ist, daß ein Pass nach vorn unstatthaft ist, daß heißt, es kann die Scheibe dem Partner nur in der Richtung zur Seite oder nach rückwärts abgegeben werden. Das Spiel erfordert daher von jedem einzelnen Spieler mehr Dribbling, mehr Können und sehr große Ausdauer; die Spielzeit ist viel kürzer, zweimal 20 Minuten, und selbst diese kurze Zeit stehen die Spieler nicht recht durch, so daß die neueste Variante auf einen dauernden Spieleraustausch, auch während des Matches, hinausläuft; es stehen je 6 Mann im Felde, je 2 Spieler gelten als Ersatzleute und können jederzeit einen ermüdeten Spieler ablösen.

Die große Inanspruchnahme der Spieler erklärt sich daraus, daß er keine Pausen während des Spieles gibt. Der Platz ist eingeplankt, es gibt kein Out und geht die Scheibe doch einmal hoch und über die Einfriedung, dann wird die dadurch verlorene Zeit der Spielzeit zugerechnet. Selbst ein Fehlschuß aufs Tor bedingt keine Pause, denn die Scheibe kann auch hinter dem Tor, welches etwa zwei Meter weit im Platz steht, weitergespielt werden. Es geht auch nicht an, daß etwa ein Stürmer, nachdem er die Scheibe vorgetragen hat und knapp vor dem gegnerischen Tor verliert an der Stelle stehen bleibt; er muß, da ja ein vorlegen nicht möglich ist, mit der Scheibe, womöglich auf gleicher Höhe, zurück, auch wenn es gegen sei eigenes Tor geht; er kann sich, falls er nicht als abseits, also außer Spiel sein will, nicht einen Augenblick ausruhen.

Man kann die Mannschaft fast mit einer Ziehharmonika vergleichen, die vom Tor aus mit der Scheibe zum Gegner gezogen wird, um ebenso, falls der Gegner im Angriff vorstößt, sich wieder aufs eigene Tor zurückziehen. Bemerkenswert wäre noch die strenge Ahndung von Vergehen; begeht ein Spieler ein ernstes Foul, kann das nur mit sofortigem Ausschluß geahndet werden. Bei der Bedeutung, die nun jedem Spieler zukommt, ist es nur zu verständlich, daß fast keine Vergehen vorkommen, denn falls die Absicht zum rohen und gefährlichen Spiel bemerkbar wird, werden die Missetäter sofort entfernt.

In dieser Art ist das Eishockeyspiel in der ganzen Welt eingebürgert. Da es für uns neu ist, werden wir in weiteren Artikeln noch darauf eingehen.

Mit der Saison 1922/23 wurden schließlich sowohl die ersten österreichischen Meisterschaften im kanadischen Hockey, als auch das erste Internationale Scheibenspiel in Wien ausgetragen. Der WEV verlor dieses Spiel in der Verlängerung gegen den Berliner SC mit 8:7.

In den Anfangsjahren wurden die Österreichischen Meisterschaften fast nur von Wiener Mannschaften bestritten. Der Stockerauer AV, die Sportvereinigung Korneuburg und etwas später St. Pölten waren die einzigen vertretenen Teams, die nicht aus der Hauptstadt kamen. Die sogenannten „Provinzteams“ aus den Bundesländern konnten sich aus Kostengründen nicht an den Meisterschaften beteiligen und waren auch in der Nationalmannschaft kaum mit Spielern vertreten.

Der in Wien qualitativ höher entwickelte Eissport war nicht zuletzt auf die Existenz von zwei Kunsteisbahnen (Heumarkt und Kunsteisbahn Engelmann) zurückzuführen. Man war somit im Gegensatz zu den Provinzteams nicht nur auf Natureisflächen und entsprechende Frosttage angewiesen.